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Privatsphäre und Wettbewerbsfähigkeit im Zeitalter von „Big Data“

26
Mar
2014

Privatsphäre und Wettbewerbsfähigkeit im Zeitalter von „Big Data“

Die Sammlung von und die Kontrolle über enorme Mengen persönlicher Daten sind eine Quelle von Marktmacht für die größten Unternehmen im globalen Markt für Dienstleistungen im Internet, so der Europäische Datenschutzbeauftragte (EDSB) heute. Persönliche Daten sind eine Art Währung geworden, mit der für „Gratis“-Onlinedienste gezahlt wird. Sie sind immaterielle Vermögenswerte für eine wachsende Zahl von Unternehmen in der EU. Dies erfordert eine engere Interaktion der verschiedenen Regulierungsbehörden.

Der EDSB Peter Hustinx erklärt hierzu: „Die Entwicklung von ‚Big Data’ hat Lücken in der EU-Wettbewerbs-, Verbraucherschutz- und Datenschutzpolitik, die anscheinend nicht mit diesen Entwicklungen schrittgehalten haben, aufgezeigt. Eine intelligentere Zusammenarbeit in diesen, sich teilweise überlappenden, Politikbereichen wird Wachstum und Innovation unterstützen und mögliche negative Folgen für die Verbraucher minimieren. Der EDSB ist darüber erfreut, dass er Diskussionen zwischen Aufsichtsbehörden und Experten in diesen Bereichen erleichtern kann.

In seiner heute veröffentlichten vorläufigen Stellungnahme zur Privatsphäre und Wettbewerbsfähigkeit im Zeitalter von „Big Data“: das Zusammenspiel zwischen Datenschutz, Wettbewerbsrecht und Verbraucherschutz zeigt der EDSB, dass die Regeln in diesen Politikbereichen viel gemeinsam haben: Sie alle zielen darauf ab, Wachstum und Innovation zu unterstützen und den Nutzen für Verbraucher zu steigern.

Nichtsdestotrotz gibt es zurzeit nur wenig Austausch zwischen Politikgestaltern und Experten in diesen Bereichen. Wirtschaftsbereiche vom Transport-, Gesundheits-, Bank- bis hin zum Energiesektor suchen nach Wegen, um das Potenzial von „Big Data“ zu nutzen, was enorme Mengen personenbezogener Daten mit sich bringt.

Es ist unabdinglich, dass Synergien in der Durchsetzung von Regeln gegen wettbewerbswidrige Praktiken, zur Werbung für sogenannte „Gratis“-Onlinedienste und zur Zulässigkeit der Datenverarbeitung untersucht werden. Dies wird dazu beitragen, Wettbewerbs- und Verbraucherschutzregeln effizienter durchzusetzen und zusätzlichen den Markt für privatsphärenfreundliche Dienste stimulieren.

Zu diesem Zweck wird der EDSB Diskussionen zwischen Experten und Praktikern aus der EU und den USA erleichtern; dies wird auch einen Workshop am 2. Juni 2014 in Brüssel umfassen.

Die vorläufige Stellungnahme des EDSB untersucht einige der Konvergenzen und Spannungen in diesen Bereichen des EU-Rechts vor dem Hintergrund der Entwicklung von „Big Data”. Der EDSB betont insbesondere die folgenden Punkte:

  • Es besteht ein Bedarf für ein besseres Verständnis des massiven Wachstums von Dienstleistungen, die als gratis beworben werden, in der Praxis aber eine Bezahlung in Form der persönlichen Daten ihrer Kunden erfordern.
  • Es besteht ein Bedarf für eine Definition des Schadens für Verbraucher im Sinne der Durchsetzung von Wettbewerbsregeln in Märkten, in denen mächtige Marktteilnehmer den Zugang zu persönlichen Daten verweigern und verwirrende Datenschutzerklärungen anwenden können.
  • Ein engerer Dialog zwischen Aufsichtsbehörden und Experten über die Regeln und Politikansätze in den Bereichen Datenschutz, Wettbewerb und Verbraucherschutz kann mehr Auswahlmöglichkeiten für Verbraucher, eine größere Auswahl an privatsphärenfreundlichen Diensten und eine größere Kontrolle der Nutzer über ihre persönlichen Daten begünstigen.

Hintergrundinformationen

Die Privatsphäre und der Datenschutz sind in der EU Grundrechte. Datenschutz ist ein durch europäisches Recht geschütztes und in Artikel 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankertes Grundrecht.

Im Detail sind die Regeln für den Datenschutz in der EU-Verwaltung, ebenso wie die Aufgaben des EDSB, in der Datenschutzverordnung (EG) Nr. 45/2001 geregelt. Eine der Aufgaben des EDSB ist es, die Europäische Kommission, das Europäische Parlament und den Rat zu Vorschlägen für neue Rechtsakte und andere Themen, die sich auf den Datenschutz auswirken, zu beraten. Zusätzlich ist die Verarbeitung personenbezogener Daten durch EU-Organe und -Einrichtungen, wenn sie spezifische Risiken für Individuen („betroffene Personen”) mit sich bringt, einer Vorabkontrolle durch den EDSB unterworfen.  

Personenbezogene Informationen / Daten: jegliche Information, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare (lebende) natürliche Person bezieht. Beispiele sind Namen, Geburtsdaten, Fotos, Videos, E-Mail-Adressen und Telefonnummern. Andere Angaben, wie etwa IP-Adressen und der Inhalt von Nachrichten, die sich auf Endnutzer von Kommunikationsdiensten beziehen oder von ihnen erstellt wurden, werden ebenfalls als personenbezogene Daten angesehen.

Privatsphäre: das Recht einer Person, in Ruhe gelassen zu werden und Kontrolle über die Informationen über sich selbst auszuüben. Das Recht auf Privatsphäre bzw. den Schutz des Privatlebens ist in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (Artikel 12), der Europäischen Menschenrechtskonvention (Artikel 8) und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Artikel 7) festgeschrieben. Die Charta enthält auch ein explizites Recht auf den Schutz personenbezogener Daten (Artikel 8).

Verarbeitung personenbezogener Daten: Artikel 2, Punkt b) der Verordnung (EG) 45/2001 definiert die Verarbeitung personenbezogener Daten als „jeden mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführten Vorgang oder jede Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten wie das Erheben, das Speichern, die Organisation, die Aufbewahrung, die Anpassung oder Veränderung, das Wiederauffinden, das Abfragen, die Nutzung, die Weitergabe durch Übermittlung, Verbreitung oder jede andere Form der Bereitstellung, die Kombination oder die Verknüpfung sowie das Sperren, Löschen oder Vernichten”. Siehe ebenfalls den Glossar auf der Website des EDSB.

„Big Data“: Gigantische digitale Datensätze im Besitz von Unternehmen, Regierungen und anderen großen Organisationen, die mittels Algorithmen intensiv analysiert werden. Siehe ebenfalls die Stellungnahme der Artikel-29-Datenschutzgruppe zur Zweckbindung, Seite 35.

Vorläufige Stellungnahme: statt als Reaktion auf einen spezifischen Kommissionsvorschlag sind vorläufige Stellungnahmen des EDSB dazu gedacht, Debatten über die Anwendung des EU-Rechts auf einen schnell wachsenden Wirtschaftsbereich, die bisher größtenteils voneinander getrennt geführt wurden, zu informieren und zu stimulieren. Folgediskussionen können klarstellen, inwiefern politische Reaktionen nötig sind. Diese können dann möglicherweise Gegenstand einer weiteren Stellungnahme werden.

Verfügbare Sprachen: Deutsch, Englisch, Französisch