Print

Verwaltungsuntersuchungen und Disziplinarverfahren

Was Sie über Verwaltungsuntersuchungen und Disziplinarverfahren wissen sollten

Thema dieses Dokuments sind Verfahren, die die Bediensteten öffentlicher Verwaltungen wie Organe und Einrichtungen der EU betreffen. Eine Verwaltungsuntersuchung kann aus diversen Gründen eingeleitet werden, darunter Mobbing oder sexuelle Belästigung, wenn ein Bediensteter ohne Erlaubnis während seiner Dienstzeit Nebentätigkeiten nachgeht, Interessenkonflikte oder ein Verdacht, dass ein Bediensteter auf seinen Arbeitszeitblättern mehr Arbeitsstunden angibt, als er geleistet hat. Neben dem mutmaßlichen Opfer und der Person, die von der Untersuchung betroffen ist, können in eine Untersuchung auch Zeugen und Dritte (Personen, die in der Akte lediglich erwähnt werden) einbezogen sein. Liegen nach Abschluss der Untersuchung ausreichend Beweise dafür vor, dass sich die Person, gegen die sich die Untersuchung gerichtet hat, schweres Fehlverhalten, Betrug oder andere Unregelmäßigkeiten zum Nachteil der finanziellen oder sonstigen Interessen der öffentlichen Verwaltung hat zuschulden kommen lassen, kann ein Disziplinarverfahren eingeleitet werden. Die Schwere der Disziplinarstrafe hängt von der Schwere des Fehlverhaltens ab. Die beschuldigte Person kann entlassen oder für einen bestimmten Zeitraum vom Dienst suspendiert werden.

Welches sind die wichtigsten Datenschutzfragen?

Datenqualität und Datenminimierung: Es ist wichtig, nicht mehr personenbezogene Daten (auch als personenbezogene Informationen bezeichnet) als erforderlich zu verarbeiten. Wie? Indem von vornherein nur relevante – und nicht mehr als nötige – Informationen erhoben werden. Im Verlauf einer Verwaltungsuntersuchung können bei Untersuchungsbeauftragten personenbezogene Informationen eingehen, die für die Untersuchung ohne Interesse oder belanglos sind. Bei Belästigung ist beispielsweise die sexuelle Orientierung des mutmaßlichen Opfers unerheblich, sofern sie nicht der Anlass für die Belästigung ist. Bei angeblicher Nebentätigkeit oder einem Interessenkonflikt ist der E-Mail-Austausch zwischen der Person, die von der Untersuchung betroffen ist, und dem medizinischen Dienst der öffentlichen Verwaltung, in dem es um die Gesundheit dieser Person geht, für den Zweck der Untersuchung unerheblich. Derartige Informationen sollten unverzüglich aus der Akte entfernt und nicht weiter verarbeitet werden. Der Grundsatz, möglichst wenige Daten zu erheben, zu speichern und zu verarbeiten, sollte auf alle Mittel und Schritte der Untersuchung angewandt werden.

Recht auf Information: Von einer Untersuchung betroffene Personen sollten von der Untersuchungsstelle insbesondere darüber unterrichtet werden, wann die Untersuchung gegen sie eröffnet und abgeschlossen wird, wie und warum ihre personenbezogenen Informationen verarbeitet werden, ob ihre Daten an einen Disziplinarausschuss weitergegeben werden, ob eine Anhörung stattfindet und wenn ja, mit welchem Ergebnis. In manchen Fällen kann die frühzeitige Information der von der Untersuchung betroffenen Person über die Untersuchung oder das Disziplinarverfahren der Untersuchung schaden. So kann beispielsweise die von der Untersuchung betroffene Person ein IT-Experte sein, der wichtige gegen ihn sprechende Daten löschen kann, oder kann der mutmaßliche Belästiger erst bei Abschluss der Untersuchung informiert werden, um die Identität des mutmaßlichen Opfers zu schützen. Wird das Recht auf Information eingeschränkt oder aufgeschoben, worüber fallweise zu entscheiden ist, sollte die untersuchende Verwaltung dies begründen können und die Gründe vor Ergehen der Entscheidung dokumentieren (Grundsatz der Rechenschaftspflicht).

Recht auf Auskunft: Von Untersuchungen betroffene Personen und mutmaßliche Opfer sollten in der Regel umfassend über die sie betreffenden personenbezogenen Daten in der Untersuchung bzw. dem Disziplinarverfahren unterrichtet werden. Es können bei von einer Untersuchung betroffenen Person Ausnahmen vom Recht auf Auskunft gemacht werden, insbesondere zum Schutz anderer Menschen (so kann beispielsweise bei einer von einer Untersuchung wegen Belästigung betroffenen Person zum Schutz des Opfers ihr Recht auf Auskunft eingeschränkt werden oder kann bei einer Person, gegen die wegen Betrug ermittelt wird, zum Schutz der Rechte und Freiheiten eines Zeugen dessen Identität nicht enthüllt werden). Im Zusammenhang mit dem Recht auf Information sollten Ausnahmen vom Recht auf Auskunft in jedem Einzelfall geprüft und dokumentiert werden. Bei einem Zeugen sollte das Recht auf Auskunft streng auf Aspekte beschränkt werden, über die er unbedingt Bescheid wissen muss; der Zeuge muss also nicht Einsicht in die gesamte Akte nehmen können, sondern sollte nur erfahren, welche ihn betreffenden Daten von der Verwaltung verarbeitet werden.

Aufbewahrungsfristen: Die Aufbewahrungsfristen für die Akten aus Verwaltungsuntersuchungen und Disziplinarverfahren sollten klar festgelegt sein und je nach dem Ergebnis des Falls unterschiedlich ausfallen. Die Akte einer Untersuchung, an die sich kein Disziplinarverfahren anschließt, sollte nicht so lange aufbewahrt werden wie die Akte eines Disziplinarverfahrens, an dessen Ende eine Disziplinarstrafe steht.

Übermittlungen: Während der Untersuchung können Untersuchungsbeauftragte bei anderen Dienststellen oder Abteilungen Informationen anfordern, so dass dann Daten innerhalb der Verwaltung übermittelt werden. Wenn Untersuchungsbeauftragte in einer Untersuchung von Betrug bei der Erstattung von Arztkosten Daten zu den entsprechenden Erstattungsanträgen der von der Untersuchung betroffenen Person anfordern, sollte ihr Ersuchen klar und präzise formuliert sein und sich nur auf relevante Daten beziehen; sie sollten genau angeben, welche Informationen sie benötigen und warum diese für die Untersuchung erforderlich sind. Die Stelle, die die Informationen bereitstellt, sollte ferner überprüfen, ob die ersuchende Stelle tatsächlich zur Durchführung von Untersuchungen befugt ist, und sie sollte nur die angeforderten Informationen übermitteln, nicht jedoch andere (unerhebliche) Informationen über andere Personen weitergeben, wie beispielsweise über den Ehegatten und die Kinder der von der Untersuchung betroffenen Person.

Outsourcing: Wird ein Experte wie beispielsweise ein Schriftsachverständiger oder ein Facharzt aufgefordert, im Rahmen einer Untersuchung ein Gutachten zu einem bestimmten Thema abzugeben, sollte in dem Vertrag zwischen der Verwaltung und dem Experten (auch als Auftragsverarbeiter bezeichnet) geregelt sein, dass dieser nur auf Weisung der Verwaltung tätig wird; ferner sollten darin der Zweck der Auftragsvergabe, die Datenschutzgrundsätze und die Verpflichtungen des Experten niedergelegt sein.

Datensicherheit: Da die verarbeiteten Daten höchst sensibel sind, sollte die Verwaltung spezifische Sicherheitsmaßnahmen zur Kontrolle des Zugriffs auf alle im Zusammenhang mit einer Untersuchung oder einem Disziplinarverfahren verarbeiteten Daten und deren Verwaltung ergreifen.

 

Weitere Informationen

Die folgende nicht erschöpfende Liste ist eine Dokumentenauswahl an weiterführender Literatur über Untersuchungen und Disziplinarverfahren:

 

EDSB-Leitlinien:

EDPS Guidelines on administrative inquires and disciplinary proceedings (EDSB-Leitlinien zu Verwaltungsuntersuchungen und Disziplinarverfahren)

EDSB-Leitlinien zu den Rechten natürlicher Personen in Bezug auf die Verarbeitung personenbezogener Daten

 

Stellungnahme des EDSB zur Vorabkontrolle:

Gemeinsame Vorabkontrollstellungnahme zur Verarbeitung von Verwaltungsuntersuchungen und Disziplinarverfahren in sechs Exekutivagenturen (Fälle 2013-1022 (REA), 2013-1012 (CHAFEA), 2014-0136 (INEA), 2014-0723 (EACEA), 2014-0805 (ERCEA) und 2014-0937 (EASME)).

Gemeinsame Vorabkontrollstellungnahme zu Verwaltungsuntersuchungen und Disziplinarverfahren in fünf dezentralen EU-Agenturen (2010-0752)

 

Verwandte Themen:

Verfahren bei Belästigung

Verfahren zur Betrugsbekämpfung

Meldung von Missständen

Sicherheitsmaßnahmen für die Verarbeitung personenbezogener Daten